Schlachter 1951 (SCH1951) Online lesen

Prediger

VersText
1:1 Wie einsam sitzt doch jetzt die Stadt, die so stark bevölkert war! Sie ist zur Witwe geworden, sie, die groß war unter den Völkern; die Fürstin der Hauptstädte ist nun zinsbar geworden!
1:2 Des Nachts weint sie unaufhörlich, und ihre Tränen laufen ihr über die Wangen hinab; sie hat unter allen ihren Liebhabern keinen Tröster; alle ihre Freunde sind ihr untreu, ihr feind geworden.
1:3 Juda ist ausgewandert vor lauter Elend und hartem Knechtsdienst; es wohnt unter den Heiden, findet keine Ruhe! Alle seine Verfolger haben es eingeholt mitten in seinen Nöten.
1:4 Die Straßen Zions trauern, weil niemand mehr zu den Festen kommt; alle ihre Tore sind verödet, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sind betrübt, und ihr selbst ist weh.
1:5 Ihre Widersacher sind obenauf gekommen, ihren Feinden geht es wohl; denn der HERR hat ihr Trübsal verursacht um ihrer vielen Übertretungen willen; ihre Kindlein sind vor dem Feinde her in die Gefangenschaft gewandert.
1:6 Und der Tochter Zion ist all ihr Schmuck genommen. Ihre Fürsten sind den Hirschen gleichgeworden, die keine Weide finden; kraftlos ziehen sie vor dem Verfolger hin.
1:7 Jerusalem gedenkt der Tage ihres Elends und ihrer Plünderung, aller ihrer Kostbarkeiten, welche sie von uralten Zeiten her gehabt. Als ihr Volk durch die Gewalt des Feindes fiel, war niemand, der ihr zu Hilfe kam. Ihre Feinde sahen sie und lachten ihrer Hilflosigkeit.
1:8 Jerusalem hat schwer gesündigt; darum ist sie zum Abscheu geworden; alle ihre Verehrer verachten sie jetzt; denn sie haben ihre Blöße gesehen; auch sie selbst wendet sich seufzend ab.
1:9 Ihr Unflat klebt an ihrem Saum; sie hat ihr Ende nicht bedacht; unversehens ist sie gestürzt. Niemand tröstet sie. Ach, HERR, siehe an mein Elend; denn der Feind triumphiert!
1:10 Der Feind hat seine Hand nach allen ihren Kostbarkeiten ausgestreckt; ja, sie hat sehen müssen, wie Heiden in ihr Heiligtum eindrangen, von welchen du doch geboten hattest, daß sie nicht in deine Gemeinde kommen sollten!
1:11 All ihr Volk bettelt seufzend um Brot; sie haben ihre Kleinodien um Nahrung hergegeben, um nur ihr Leben zu fristen. HERR, schaue her und siehe, wie heruntergekommen ich bin!
1:12 O ihr alle, die ihr hier vorübergeht, schauet und sehet, ob ein Schmerz sei wie mein Schmerz, der mich getroffen, mit welchem mich der HERR bekümmert hat am Tage seines grimmigen Zorns!
1:13 Er sandte ein Feuer von der Höhe, das alle meine Gebeine durchdrungen hat; er spannte meinen Füßen ein Netz und trieb mich zurück; er hat mich zu einer Ruine gemacht, ich bin krank immerdar!
1:14 Das Joch meiner Übertretungen ist durch seine Hand festgeknüpft; ineinander verschlungen sind sie mir auf den Nacken gelegt. Er hat meine Kraft gebrochen. Der Herr hat mich in die Hände derer gegeben, welchen ich nicht widerstehen kann.
1:15 Der Herr hat alle Helden in meiner Mitte verworfen; er hat eine Schar wider mich berufen, meine Auserlesenen zu zerschmettern. Der Herr hat der Jungfrau, der Tochter Juda, die Kelter getreten.
1:16 Darum weine ich, und mein Auge, ja, mein Auge zerfließt in Tränen, weil der Tröster, der meine Seele erquicken sollte, fern von mir ist; meine Kinder sind verwüstet, denn der Feind war zu stark.
1:17 Zion streckt flehentlich ihre Hände aus; sie hat keinen Tröster. Der HERR hat gegen Jakob seine Feinde aufgeboten ringsumher; Jerusalem ist unter ihnen zum Abscheu geworden.
1:18 Der HERR ist gerecht; denn ich bin seinem Munde widerspenstig gewesen. Höret doch zu, alle Völker, und schauet an meinen Schmerz! Meine Jungfrauen und meine Jünglinge mußten in die Gefangenschaft wandern.
1:19 Ich rief meinen Freunden; aber sie haben mich betrogen; meine Priester und meine Ältesten sind in der Stadt verschmachtet, als sie sich Speise erbettelten, um ihr Leben zu fristen.
1:20 Ach, HERR, schau her, denn mir ist angst! Mein Inneres kocht, mein Herz kehrt sich um in meiner Brust; denn ich bin sehr widerspenstig gewesen. Draußen hat mich das Schwert der Kinder beraubt, drinnen ist es wie der Tod!
1:21 Sie hörten mich seufzen, aber niemand tröstete mich; alle meine Feinde freuten sich, als sie von meinem Unglück hörten, daß du es getan; führst du aber den Tag herbei, den du angekündigt hast, so werden auch sie mir gleich sein.
1:22 Es müsse alle ihre Bosheit vor dein Angesicht kommen, und du wollest ihnen tun, wie du mir um aller meiner Übertretungen willen getan hast! Denn meiner Seufzer sind viele, und mein Herz ist krank.
2:1 In was für eine Dunkelheit hat doch der Herr in seinem Zorn die Tochter Zion versetzt! Er hat die Zierde Israels vom Himmel zur Erde geschleudert und des Schemels seiner Füße nicht gedacht am Tage seines Zorns.
2:2 Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs vertilgt und ihrer nicht geschont; er hat in seinem Grimm die Festungen der Tochter Juda niedergerissen und zu Boden geworfen; er hat ihr Königreich samt ihren Fürsten entweiht.
2:3 In seinem grimmigen Zorn hieb er jedes Horn von Israel ab, zog vor dem Feinde seine Hand zurück und zündete Jakob wie mit einer Feuerflamme an, welche ringsum alles verzehrt.
2:4 Er spannte seinen Bogen wie ein Feind, stellte sich mit seiner Rechten wie ein Widersacher und machte alles nieder, was im Zelte der Tochter Zion lieblich anzusehen war; er goß seinen Grimm wie Feuer aus.
2:5 Der Herr ist geworden wie ein Feind; er hat Israel vertilgt, alle seine Paläste vernichtet; er hat seine Festungen zerstört und hat der Tochter Juda viel Klage und Wehklage verursacht.
2:6 Er hat sein Gehege verwüstet wie einen Garten, sein Versammlungshaus zerstört; der HERR hat die Festtage und Sabbate zu Zion in Vergessenheit gebracht und in seinem grimmigen Zorn König und Priester verworfen.
2:7 Der Herr hat seinen Altar verabscheut, sein Heiligtum verflucht; er hat die Mauern ihrer Paläste der Hand des Feindes preisgegeben; sie haben im Hause des HERRN ihre Stimme erschallen lassen wie an einem Festtag.
2:8 Der HERR hatte sich vorgenommen, die Mauern der Tochter Zion zu zerstören; er spannte die Meßschnur aus, zog seine Hand nicht zurück, bis daß er sie vertilgte; Wall und Mauer versetzte er in Trauer; sie stehen allzumal kläglich da.
2:9 Ihre Tore sind in den Erdboden versunken, ihre Riegel hat er verderbt und zerbrochen; ihr König und ihre Fürsten sind unter den Heiden; es ist kein Gesetz mehr da, auch bekommen ihre Propheten keine Offenbarung mehr vom HERRN.
2:10 Die Ältesten der Tochter Zion sitzen schweigend auf der Erde; sie haben Staub auf ihr Haupt gestreut und sich mit dem Sack umgürtet; die Jungfrauen von Jerusalem senken ihr Haupt zur Erde.
2:11 Meine Augen sind ausgeweint, mein Inneres kocht; mein Herz schmilzt in mir wegen des Zusammenbruches der Tochter meines Volkes, weil die jungen Kinder und Säuglinge auf den Gassen verschmachtet sind!
2:12 Sie sprachen zu ihren Müttern: «Wo ist Brot und Wein?» als sie wie Todwunde auf den Straßen der Stadt verschmachteten, als sie in dem Schoß ihrer Mütter den Geist aufgaben.
2:13 Wie soll ich dir zusprechen, du Tochter Jerusalem? Wem soll ich dich vergleichen? Womit soll ich dich beruhigen und trösten, du Jungfrau, Tochter Zion? Denn dein Schaden ist so groß wie das Meer! Wer kann dich heilen?
2:14 Deine Propheten haben dir erlogenes und fades Zeug gepredigt und haben deine Missetat nicht aufgedeckt, um dadurch deine Gefangenschaft abzuwenden, sondern sie haben dir betrügerische und verführerische Orakel gegeben.
2:15 Alle, die des Weges vorübergehen, schlagen die Hände über dir zusammen, zischen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: «Ist das die Stadt, von der man sagte, sie sei die allerschönste, die Wonne der ganzen Erde?»
2:16 Alle deine Feinde sperren ihr Maul gegen dich auf, zischen und knirschen mit den Zähnen und sagen: «Jetzt haben wir sie vertilgt! Das ist der Tag, auf den wir hofften, wir haben ihn erlebt und gesehen!»
2:17 Der HERR hat vollbracht, was er sich vorgenommen; er hat seine Drohung ausgeführt, die er von alters her hat verkündigen lassen; er hat schonungslos zerstört; er hat den Feind über dich frohlocken lassen und das Horn deiner Widersacher erhöht.
2:18 Ihr Herz schreie zum Herrn! Du Mauer der Tochter Zion, laß Tag und Nacht Tränenströme fließen, gönne dir keine Ruhe, dein Augapfel raste nicht!
2:19 Stehe auf und klage des Nachts, beim Beginn der Wachen! Schütte dein Herz wie Wasser aus vor dem Angesicht des Herrn! Hebe deine Hände zu ihm empor für die Seele deiner Kindlein, die an allen Straßenecken vor Hunger verschmachten!
2:20 HERR, schaue her und siehe: Wem hast du also getan? Sollten denn Frauen ihre eigene Leibesfrucht essen, die Kindlein ihrer Pflege? Sollten wirklich Priester und Propheten im Heiligtum des Herrn erschlagen werden?
2:21 Junge und Alte liegen draußen auf der Erde; meine Jungfrauen und meine Jünglinge sind durch das Schwert gefallen; du hast sie am Tage deines grimmigen Zornes erwürgt, du hast sie schonungslos niedergemacht!
2:22 Wie zu einem Festtage hast du alles, was ich fürchtete, von allen Seiten zusammengerufen, und es ist am Tage des Zornes des HERRN niemand entronnen noch übriggeblieben; was ich gepflegt und großgezogen hatte, das vertilgte mein Feind!
3:1 Ich bin der Mann, der tief gebeugt worden ist durch die Rute seines Zorns.
3:2 Mich hat er verjagt und in die Finsternis geführt und nicht ans Licht.
3:3 Nur gegen mich kehrt er immer wieder den ganzen Tag seine Hand.
3:4 Er hat mein Fleisch und meine Haut verschlungen und meine Knochen zermalmt.
3:5 Er hat rings um mich her Gift und Drangsal aufgebaut.
3:6 In dunkeln Höhlen läßt er mich wohnen wie längst Verstorbene.
3:7 Er hat mich eingemauert, daß ich nicht herauskommen kann; mit ehernen Ketten hat er mich beschwert.
3:8 Ob ich auch schreie und rufe, verstopft er doch die Ohren vor meinem Gebet.
3:9 Quadersteine legt er mir in den Weg, krümmt meine Pfade.
3:10 Er lauert mir auf wie ein Bär, wie ein Löwe im Dickicht.
3:11 Er hat mich auf Abwege gebracht, ist über mich hergefallen und hat mich arg zugerichtet.
3:12 Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeile zum Ziel gesetzt.
3:13 Er hat mir seines Köchers Söhne in die Nieren gejagt.
3:14 Ich bin allem Volk zum Gelächter geworden, ihr Liedlein den ganzen Tag.
3:15 Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt, mit Wermut getränkt.
3:16 Er ließ meine Zähne sich an Kies zerbeißen, er hat mich mit Asche bedeckt.
3:17 Und du hast meine Seele aus dem Frieden verstoßen, daß ich des Glückes vergaß.
3:18 Und ich sprach: Meine Lebenskraft ist dahin, meine Hoffnung auf den HERRN.
3:19 Sei eingedenk meines Elends, meiner Verfolgung, des Wermuts und des Gifts!
3:20 Beständig denkt meine Seele daran und ist tief gebeugt!
3:21 Dieses aber will ich meinem Herzen vorhalten, darum will ich Hoffnung fassen:
3:22 Gnadenbeweise des HERRN sind’s, daß wir nicht gänzlich aufgerieben wurden, denn seine Barmherzigkeit ist nicht zu Ende;
3:23 sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß!
3:24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.
3:25 Der HERR ist gütig gegen die, welche auf ihn hoffen, gegen die Seele, die nach ihm fragt.
3:26 Gut ist’s, schweigend zu warten auf das Heil des HERRN.
3:27 Es ist einem Manne gut, in seiner Jugend das Joch zu tragen.
3:28 Er sitze einsam und schweige, wenn man ihm eines auferlegt!
3:29 Er stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden!
3:30 Schlägt ihn jemand, so biete er ihm den Backen dar und lasse sich mit Schmach sättigen!
3:31 Denn der Herr wird nicht ewig verstoßen;
3:32 sondern wenn er betrübt hat, so erbarmt er sich auch nach der Größe seiner Gnade.
3:33 Denn nicht aus Lust plagt und betrübt ER die Menschenkinder.
3:34 Wenn alle Gefangenen eines Landes mit Füßen getreten,
3:35 wenn das Recht eines Mannes vor dem Angesicht des Höchsten gebeugt,
3:36 die Rechtssache eines Menschen verdreht wird, sollte der Herr es nicht beachten?
3:37 Wer hat je etwas gesagt und es ist geschehen, ohne daß der Herr es befahl?
3:38 Geht nicht aus dem Munde des Höchsten das Böse und das Gute hervor?
3:39 Was beklagt sich der Mensch? Es hätte sich wahrlich jeder über seine Sünde zu beklagen!
3:40 Lasset uns unsere Wege erforschen und durchsuchen und zum HERRN zurückkehren!
3:41 Lasset uns unsere Herzen samt den Händen zu Gott im Himmel erheben!
3:42 Wir sind abtrünnig und widerspenstig gewesen; das hast du nicht vergeben;
3:43 du hast dich im Zorn verborgen und uns verfolgt; du hast uns ohne Gnade erwürgt;
3:44 du hast dich in eine Wolke gehüllt, daß kein Gebet hindurchdrang;
3:45 du hast uns zu Kot und Abscheu gemacht unter den Völkern!
3:46 Alle unsere Feinde haben ihr Maul gegen uns aufgesperrt.
3:47 Grauen und Grube wurden uns beschieden, Verwüstung und Untergang.
3:48 Es rinnen Wasserbäche aus meinen Augen wegen des Untergangs der Tochter meines Volkes.
3:49 Mein Auge tränt unaufhörlich; denn da ist keine Ruhe,
3:50 bis der HERR vom Himmel herabschauen und dareinsehen wird.
3:51 Was ich sehen muß, tut meiner Seele weh ob aller Töchter meiner Stadt.
3:52 Die mich ohne Ursache hassen, stellten mir heftig nach wie einem Vogel;
3:53 sie wollten mich in der Grube ums Leben bringen und warfen Steine auf mich.
3:54 Die Wasser gingen über mein Haupt; ich sagte: Ich bin verloren!
3:55 Aber ich rief, HERR, deinen Namen an, tief unten aus der Grube.
3:56 Du hörtest meine Stimme: «Verschließe dein Ohr nicht vor meinem Seufzen, vor meinem Hilferuf!»
3:57 Du nahtest dich mir des Tages, als ich dich anrief, du sprachest: Fürchte dich nicht!
3:58 Du führtest, o Herr, die Sache meiner Seele, du rettetest mir das Leben!
3:59 Du hast, o HERR, meine Unterdrückung gesehen; schaffe du mir Recht!
3:60 Du hast all ihre Rachgier gesehen, alle ihre Anschläge wider mich;
3:61 du hast, o HERR, ihr Schmähen gehört, alle ihre Pläne gegen mich,
3:62 die Reden meiner Widersacher und ihr beständiges Murmeln über mich.
3:63 Siehe doch: ob sie niedersitzen oder aufstehen, so bin ich ihr Spottlied.
3:64 Vergilt ihnen, o HERR, nach dem Werk ihrer Hände!
3:65 Gib ihnen Verstockung ins Herz, dein Fluch komme über sie!
3:66 Verfolge sie in deinem Zorn und vertilge sie unter dem Himmel des HERRN hinweg!
4:1 Wie ist das Gold geschwärzt, wie ist das köstliche Gold entstellt! Wie sind die Steine des Heiligtums an allen Straßenecken aufgeschüttet!
4:2 Wie sind die Kinder Zions, die teuren, die mit feinem Gold aufgewogenen, den irdenen Geschirren gleichgeachtet, dem Werke von Töpfershänden!
4:3 Auch Schakale reichen die Brust, säugen ihre Jungen; aber die Tochter meines Volkes ist grausam geworden, wie die Strauße in der Wüste.
4:4 Den Säuglingen klebt vor Durst die Zunge am Gaumen; die Kindlein verlangen Brot, aber niemand bricht es ihnen.
4:5 Die sonst Leckerbissen aßen, verschmachten auf den Gassen; die auf Purpurlagern ruhten, sind jetzt froh über Misthaufen!
4:6 Denn die Schuld der Tochter meines Volkes war größer als die Sünde Sodoms, welches in einem Augenblick umgekehrt ward, ohne daß Menschenhände sich dabei abmühten!
4:7 Ihre Fürsten waren glänzender als Schnee, weißer als Milch, ihr Leib war röter als Korallen, ihre Gestalt wie ein Saphir.
4:8 Jetzt aber sind sie schwärzer als Ruß, man erkennt sie nicht auf den Gassen; ihre Haut klebt an ihrem Gebein, sie sind so dürr wie Holz.
4:9 Glücklicher waren die, welche das Schwert erschlug, als die, welche der Hunger tötete, welche vom Hunger durchbohrt dahinschmachteten, aus Mangel an Früchten des Feldes.
4:10 Die Hände barmherziger Frauen haben ihre eigenen Kinder gekocht; sie dienten ihnen zur Nahrung, beim Zusammenbruch der Tochter meines Volks.
4:11 Der HERR ließ seine Zornglut ausbrennen, schüttete seinen grimmigen Zorn aus und zündete in Zion ein Feuer an, das seine Grundfesten verzehrte.
4:12 Die Könige der Erde hätten es nicht geglaubt und kein Bewohner des Erdkreises, daß der Feind, der sie belagerte, durch die Tore der Stadt Jerusalem einziehen würde
4:13 um der Sünden willen ihrer Propheten, durch die Schuld ihrer Priester, welche in ihrer Mitte das Blut der Gerechten vergossen haben.
4:14 Sie wankten auf den Gassen wie Blinde und waren so mit Blut bespritzt, daß niemand ihre Kleider anrühren mochte.
4:15 Man rief ihnen zu: «Fort mit euch, ihr seid unrein! Weg, weg, kommt uns nicht zu nah!» Wenn sie flohen und zu den Heiden wankten, sprach man: «Bleibt nicht länger hier!»
4:16 Das Angesicht des HERRN hat sie zerstreut! Er will sie nicht mehr anblicken. Man nahm auf Priester keine Rücksicht mehr und hatte kein Erbarmen mit den Alten.
4:17 Auch da noch schmachteten unsere Augen nach Hilfe. Vergeblich! Auf unserer Warte spähten wir nach einem Volke, das doch nicht half.
4:18 Man verfolgte unsere Spur, so daß wir auf unseren Gassen nicht mehr wandeln konnten; unser Ende war nahe, unsere Tage abgelaufen; ja, unser Ende war gekommen.
4:19 Unsere Verfolger waren schneller als die Adler des Himmels; über die Berge jagten sie uns nach, und in der Wüste lauerten sie auf uns.
4:20 Unser Lebensodem, der Gesalbte des HERRN, wurde in ihren Gruben gefangen, er, von dem wir sagten: «Wir werden in seinem Schatten unter den Heiden leben!»
4:21 Juble nur und sei schadenfroh, du Tochter Edom, die du im Lande Uz wohnst! Der Kelch wird auch an dich kommen, du wirst auch trunken und entblößt werden!
4:22 Tochter Zion, deine Schuld ist getilgt; er wird dich nicht mehr gefangen wegführen lassen; deine Schuld aber, Tochter Edom, sucht er heim, deine Sünden deckt er auf!
5:1 Gedenke, HERR, was uns widerfahren ist! Schau her und siehe unsere Schmach!
5:2 Unser Erbe ist den Fremden zugefallen, unsere Häuser den Ausländern.
5:3 Wir sind Waisen geworden, vaterlos, unsere Mütter zu Witwen.
5:4 Unser Wasser trinken wir um Geld, unser Holz kommt uns gegen Bezahlung zu.
5:5 Unsere Verfolger sind uns beständig auf dem Hals; werden wir müde, so gönnt man uns keine Ruhe.
5:6 Wir haben Ägypten die Hand gereicht und Assur, um genug Brot zu erhalten.
5:7 Unsere Väter, die gesündigt haben, sind nicht mehr; wir müssen ihre Schuld tragen.
5:8 Knechte herrschen über uns; niemand befreit uns aus ihrer Hand!
5:9 Wir schaffen unsere Nahrung unter Lebensgefahr herbei, weil uns in der Wüste das Schwert bedroht.
5:10 Unsere Haut ist schwarz wie ein Ofen, so versengt uns der Hunger.
5:11 Frauen wurden in Zion vergewaltigt, Jungfrauen in den Städten Judas.
5:12 Fürsten wurden durch ihre Hand gehängt, die Person der Alten hat man nicht geachtet.
5:13 Jünglinge müssen Mühlsteine tragen und Knaben straucheln unter Bürden von Holz.
5:14 Die Ältesten bleiben weg vom Tor, und die Jünglinge lassen ihr Saitenspiel.
5:15 Die Freude unsres Herzens ist dahin, unser Reigen hat sich in Klage verwandelt.
5:16 Die Krone ist uns vom Haupte gefallen; wehe uns, daß wir gesündigt haben!
5:17 Darob ist unser Herz krank geworden, darum sind unsere Augen trübe:
5:18 weil der Berg Zion verwüstet ist; Füchse tummeln sich daselbst.
5:19 Du aber, o HERR, bleibst ewiglich, dein Thron besteht für und für!
5:20 Warum willst du uns für immer vergessen, uns verlassen auf Lebenszeit?
5:21 Bringe uns zu dir zurück, o HERR, so kehren wir um; laß es wieder werden wie vor alters!
5:22 Oder hast du uns gänzlich verworfen, bist du allzusehr über uns erzürnt?

Diese Bibelverse stammen aus der lizenfreien Schlachter-Übersetzung von 1951.

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