Dieser Artikel untersucht die Bedeutung des “Vater Unser”-Gebets und erläutert die Bedeutungen des Gebetes Vers für Vers. Doch bevor wir uns mit dem Gebet an sich befassen, sollten wir uns den Kontext anschauen, in dem wir das Gebet lesen.
Kontext und Einordnung des Vater unser
Das “Vater Unser” steht in der Bibel im Lukas-Evangelium in Kapitel 11 und bei Matthäus in Kapitel 6. Das Gebet ist in beiden Evangelien Teil der Bergpredigt und gehört damit zu den wichtigsten Lehren Jesu, die dort zusammengefasst sind.
Interessant ist, dass Jesus gefragt wird, wie man denn beten solle und er das “Vater Unser” seinen Jüngern und der Welt preisgibt. Daher kann man mit aller Sicherheit sagen, dass dieses Gebet kein situatives Gebet ist, sondern eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt.
Damit unterscheidet sich die Bedeutung des Vater Unser klar zu den meisten Psalmen, die oftmals in einer gewissen Situation erdacht worden sind und speziell für diese Situation zugeschnitten sind,und der Allgemeingültigkeit des Vater Unser’s es ist damit ein allgemein- gültiges Gebet, welches von jedem Gläubigen jederzeit gesprochen werden kann und darf.
Es beinhaltet allgemein gültige Bitten an Gott von den Gläubigen und keine “privaten” Anliegen oder Sorgen des Gläubigen.
Es ist jedoch zu bemerken: Jeder einzelne Vers beinhaltet auch immer eine Verheißung von Gott – entweder direkt an den Gläubigen an sich oder der gesamten gläubigen Gemeinschaft.
Vers 1 – Beziehung des Vaters und sein Name
Vater Unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name.
Gerade die ersten zwei Wörter “Vater Unser” beschreibt eine Beziehungsebene: Der Gläubige redet nicht mit irgendwem – er redet mit seinem Vater! Gott möchte also, dass wir uns als Kinder von ihm sehen – als Kinder sind wir zwar dem Vater in gewisser weise untergeordnet, können dennoch einiges erwarten und verlangen: Schutz, Sicherheit und Nahrung. Die Beziehung von Menschen/Gläubigen zu Gott könnte Bände füllen – an dieser Stelle ist nur wichtig zu wissen, das die Vater-Kind-Beziehung der Kernpunkt des Gebetes und des Christentums ist.
“Der du bist im Himmel” ist tatsächlich eine Ortsangabe. Gott ist nicht irgendwo. Er ist keine überall-existierende super-materie, sondern genau an einem Punkt: Im Himmel. Interessant ist folgendes: Jesus gibt in dem Gebet das Gespräch mit dem Vater vor – der Heilige Geist, der hier auf der Erde wirkt und Teil von Gott ist, wird nicht erwähnt. Das hätte die Jünger zu dem Zeitpunkt sicherlich verwirrt.
“Geheiligt werde dein Name” ist die Aufforderung den Namen Gottes nicht zu missbrauchen. Wiedermal könnte man Bände darüber schreiben, was der Name Gottes bedeutet. Gott ist sein Name sehr wichtig. Dies kann man bereits in den 10 Geboten sehen (Mehr dazu hier: Luther und die 10 Gebote) – die Juden trieben das Gebot sogar soweit, dass sie den Namen nicht aussprachen, abkürzten und er (vermutlich) verloren ging.
Sondern Gottes Name soll geheiligt werden, wir sollen seinen Namen für so wertvoll erachten, das selbst der Name für uns wie ein Geschenk von einem geliebten Menschen ist, oder uns so sehr berührt wie das erste Mama/Papa des eigenen Kindes.
Für uns ist wichtig: Baue keinen Scheiß und schieb es dann auf Gott.
Vers 2 – Sein Reich komme
Dein Reich komme.
Der zweite Vers ist der kürzeste von allen – ist er doch mit einer der wichtigsten. Hiermit wird Gott gebeten, dass sein Reich bitte bald auf die Erde kommen mag. Jesus meint dabei sicherlich, dass zukünftige Reich, welches in der Offenbarung versprochen wird.
“Reich” bedeutet hierbei: Die absolute und direkte Herrschaft von Gott. Weitere Details darf man anderen Theologen überlassen :)
Vers 3 – Gottes Wille geschehe überall
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.
Der dritte Vers beginnt mit einem Hammer: Gott hat einen eigenen Willen! Das ist für die allermeisten Christen klar und gehört eindeutig zum Gottesbild.
Ich verweise aber gerne bei sowas auf andere Religonen, wo es nicht ganz klar ist ob eine Gottheit einen bestimmten Willen besitzt oder nicht. Christen sind da klarer: Es gibt einen Gott und dieser hat einen eigenen Willen.
Und dieser Wille von Gott beinhaltet nicht nur die eigenen vier Wände (und Thron oder Palast) Gottes – nein! Das “Vater unser” zeigt uns, dass Gottes Wille eine allumfassende Machtsanforderung gleichkommt.
Das ist für viele Christen schwierig, da wir doch gerade im Gebet Gott bitten wollen zu tun was wir wollen und nicht was Gott will, aber Gott will das Beste für uns, deshalb ist es wichtig sich Gottes Willen zu unterstellen, auch damit preisen und heiligen wir Gott.
Dies belegt auch der folgende Nebensatz: “wie im Himmel, als auch auf Erden“. Gott regiert bzw. soll auf allen uns bekannten Ebenen regieren: Bei ihm im Himmelreich (und somit über alle Engel) und bei uns auf der Erde (somit über Tiere und Menschen)
Für die Klugscheißer unter uns: Das bezieht sich auch auf alle Fische und Dinge, die im Wasser sind und nicht nur “auf der Erde” – die Flucht in ein U-Boot ist keine Flucht vor Gottes Willen.
Vers 4 – Tägliche Versorgung und Sünde
Unser täglich Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.
In Vers 4 erinnern wir uns daran, dass Gott uns versorgt und legen unser tägliches Leben, mit den wichtigsten irdischen Problemen, in Gottes Hand.
“Unser tägliches Brot gib uns heute” ist eine Bitte an Gott den Beter bzw. alle Gläubige täglich mit Nahrung zu versorgen. Das “tägliche Brot” ist dabei nicht unbedingt wörtlich gemeint und kann auch andere Lebensmittel bedeuten – in der Zeit der Bibel war es nun mal das wichtigste Lebensmittel, dass jeder Mensch täglich braucht.
Interessant ist, dass der Beter darauf vertraut jeden Tag sein Essen zu bekommen. Er betet ja nicht sowas wie: “Schenke uns ein Laster voller Brot, so das wir keinen Hunger leiden”, sondern konzentriert sich auf das hier und jetzt;- was der Lehre von Jesu absolut folgt. Denn diese besagt sich nicht allzu viel über morgen Gedanken zu machen.
Wer möchte könnte an dieser Stelle eine Verknüpfung zu Mose in der Wüste machen: Dort wurde das Volk jeden Tag mit Manna versorgt, um nicht zu verhungern. Doch das würde für den Moment zu weit führen: Im Zweifel nehmt es als positives Beispiel für Gottes versorgung.
“Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“
Wir alle sind Schuldig und haben in Gottes Augen Mist gebaut – das nennen wir Sünde. Wenn wir uns nicht an die Gesetze Gottes halten, dann laden wir Schuld auf uns.
Richtig dumm an der Nummer ist: Alleine Gefühle reichen aus, um Gottes Vorschriften zu brechen. Jesus beschreibt in der Bergpredigt, dass alleine das zürnen auf einen Bruder einem Mord gleichkommt.
Dank Jesus können wir ohne Probleme um die Vergebung dieser Schuld bitten – wichtig, bei einer reelen Nachfolge Jesus, ist aber: Wir sollten es möglichst vermeiden dieses Angebot in Anspruch zu nehmen, in dem wir möglichst die Sünde vermeiden. Da aber auch der “beste” Nachfolger Jesu Schuld auf sich nimmt, ist das Bitten um Vergebung ein regelmäßiges Thema im Gebet.
Der Nächte Abschnitt dürfte bei vielen Menschen das größere Problem sein: Anderen Menschen ihre Schuld gegenüber sich selbst zu vergeben. Das schließt Dinge wie eine Beleidigung, “aus-versehen” einen Freund vergessen oder ähnliches ein.
Ich möchte an dieser Stelle den Blick auf den anderen grammatischen Fall legen: “wie wir vergeben unseren Schuldigern“. Dies ist ein Versprechen von uns an Gott;- wir versprechen hier, dass wir (aus eigenen Stücken) unseren Schuldigern verzeihen.
Wenn man es sogar sehr genau liest, dann kann man das Verzeihen der Sünde als Ergebnis der persönlichen Leistung des “ich verzeihe dem anderen” sehen… was die Sache insofern kompliziert macht, wenn man sagt: Man kann nichts ohne Gott.
Ich möchte hier jetzt nicht das super-theologische Fass aufmachen! Daher die Kurzfassung: Vergib so vielen wie du kannst und Gott wird dir verzeihen. Ich denke nicht, dass es eine Frage von “Himmel-oder-Hölle” ist, diesen Vers besonders gut zu meistern.
Wie wir sehen können, ist die Bedeutung der Vaters unser sehr Vielschichtig. Doch wir sind noch nicht am Ende.
Vers 5 – Versuchung
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel.
Versuchung führt zu Sünde und Sünde zur Trennung von Gott. Daher sollte man es möglichst meiden in Versuchung zu kommen – wir wissen halt: Schon Gedanken können Sünde sein.
Auf der Erde gilt: Shit Happens! Die Sünde regiert und böse Dinge passieren nun mal. “Böse Dinge” können alles möglich sein: Von Mord bis Unfreundlichkeit kann das alles ein… aber es sind auf jeden Fall “Übel”.
Da Gott allmächtig ist, kann er Menschen zu allem zwingen und dazu bringen, was er möchte. In diesem Vers wird darum gebeten, dass Gott es lässt jemanden in zwickliche Lagen zu bringen – Die Sünde nervt da schon genug.
Der zweite Halbsatz “erlöse uns von dem Übel” kann nicht nur als Detail zum ersten Halbsatz verstanden werden, sondern als allgemeine Aufforderung die Sünde aus der Welt zu verbannen.
Auch hier dürfen sich Theologen gerne streiten, während wir Gott einfach darum bitten in jeder Lage die Kontrolle in unserem Leben zu haben.
Vers 6 – das Reich und die Kraft Gottes
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Dieser Teil des Vater Unser findet sich nicht in jeder Version des Vater Unser – die Gründe dafür sind sehr verschiedenen und selten theologisch, dass diese hier nicht wirklich relevant sind.
Im letzten Vers wird betont, dass der einzelne Mensch nichts ist und Gott alles in der Hand hält. Die Betonung liegt hier auf “alles”. Gottes Reich und alleinige Regierung ist in seiner absoluten Kraft gestützt, die aus seiner Herrlichkeit speist. Diese Kraft und Herrlichkeit ist nicht eine begrenzte Zeit lang gültig – nein. Sie ist ewig gültig. Diese Eigenschaften betonen die Ewigkeit Gottes – damit ist er das einzige, was wahrlich ewig ist und als einzige Konstante der Existenz gesehen werden darf.
Außerdem wird das Gebet dann nicht mit einem Ich-Fokus beendet, sondern mit der Sicht auf Gott. Insofern besteht der Fokus im Anfang des Gebetes und am Ende des Gebetes bei Gott… und kann als allgemeines Bild für Gott gesehen werden: Er ist der Anfang und das Ende.
Weitere Informationen zum Vater unser
Wie so oft im Christentum sind bestimmte Wörter oder Bezeichnungen nicht einheitlich, meinen doch aber das selbe – beim Vater unser ist es ähnlich.
So sind alternative Namen für das Vater unser auch Pater noster (Latein), Gebet des Herrn bzw. Herrengebet (vor allem in der Lutherischen Tradition) und “Unser Vater” (vor allem bei Freikirchen)